kri­ti­ken

2017-2017
Kultiviert und kontrolliert
Claudio Monteverdi im Jahr seines vierhundertfünfzigsten Geburtstags – er wurde 1567 in Cremona geboren – zu feiern, das ist gar nicht so einfach... Den Spezialisten der Alte-Musik-Szene ist es zu verdanken, dass Monteverdis Musik wieder bekannt und insgesamt recht präsent ist. Und den Chören, die sich zumindest mit einem seiner Hauptwerke befassen: der Marienvesper. Mit dieser 1610 für den Hof in Mantua entstandenen Messvertonung, die wegen ihrer Ausdehnung und ihrer dramaturgischen Anlage einzigartig dasteht, eröffnete in München der Orpheus-Chor zusammen mit dem in Basel ansässigen Instrumentalensemble „Les Cornets Noirs“ und Gesangssolisten unter der Leitung von Gerd Guglhör das Monteverdi-Jahr 2017... Mit dem Konzert im Herkulessaal zeigte sich erneut, dass es in München dank des Engagements der Chöre um die Kultur der Alten Musik gar nicht so schlecht bestellt ist... „Les Cornets Noirs“, welche der Orpheus-Chor für die „Marienvesper“ engagiert hat, gehören zu den Spitzengruppierungen für die bläserbetonte Musik des 17. Jahrhunderts... Spieltechnisch brillant und akustisch stets präsent... Gegenüber dem mit 57 Sängerinnen und Sängern groß aufgetretenen Chor wirkten die Instrumente nie, als seien es zu wenige. Das lag auch an der sorgfältigen Einstudierung des Chors durch Gerd Guglhör. Für die Sängerinnen und Sänger ging es nicht um Volumen, sondern um eine genaue Artikulation, Verständlichkeit und Transparenz. Trotz der Größe des Chores wirkte sein Klang zurückhaltend und fügte sich so sehr gut mit dem, was es von den Instrumenten zu hören gab... Den ausgezeichneten Instrumentalisten ebenbürtig war das Solistenensemble mit Ulrike Hofbauer, Gerlinde Sämann (Sopran) und Katharina Guglhör (Alt), mit Hermann Oswald und Andreas Post (Tenor) und Matthias Winckhler und Matthias Friedrich (Bass)... Als Abrundung des Abends gab es eine späte Gloria-Vertonung Monteverdis, aus dem Jahr 1641, groß angelegt und auffallend virtuos für alle Mitwirkenden, sowie zwei Kompositionen von Giovanni Antonio Rigatti... Auch hierfür hatte Gerd Guglhör einen stilsicheren Zugriff, konnte sich auf die klangliche und musikalische Kultur seines Chores ebenso verlassen wie auf die Virtuosität der Solisten.
www.klassikinfo.de (Laszlo Molnar), Januar 2017
Wohl geformt
Claudio Monteverdis prachtvolle "Marienvesper" hat auch 400 Jahre nach ihrer Entstehung nichts an Faszination eingebüßt, so vielfältig und reich ist sie im Wechsel von Solo-, Ensemble- und Chorsätzen bis hin zum Magnificat... Unter der Leitung von Gerd Guglhör kamen im Herkulessaal zum Orpheus Chor noch sieben Gesangssolisten und das großartige elfköpfige Instrumental-Ensemble "Les Cornets Noire" mit vier Streichern, Zinken, Posaunen, Theorbe und Truhenorgel hinzu. Da gab es also einen Chor, der artikulierte und phrasierte, als würde er ein solches Repertoire täglich musizieren, so natürlich und doch wohlgeformt, so locker und doch streng gefügt wurde jede Phrase gesungen... Gegen Ende des ebenso langen wie kurz-weiligen Abends gab es ein "Gloria" Monteverdis von 1640, dessen Beschwörung von "Frieden den Menschen auf Erden" außergewöhnlich tief gesetzt war und so besonders dringlich wirkte, sowie die rare Begegnung mit zwei gleichzeitig entstandenen Werken von Monteverdis Schüler Giovanni Antonio Rigatti, der um 1613 geboren wurde und kaum 35 Jahre alt wurde. Auch seine Musik ist höchst farbenreich, bezieht im "Dixit Dominus" mehrfach die Instrumentalmusik ritornell-artig mit ein und ist an manchen Stellen nicht zuletzt des "Magnificat" noch theatralischer als Monteverdi. In jedem Fall konnte man in diesen Stücken eines 22-Jährigen einen exzellenten Komponisten entdecken, der leider auch auf dem Tonträger-Markt so gut wie nicht existiert.
Süddeutsche Zeitung (Klaus Kalchschmid), Januar 2017
Surrealer Beat
Aus dem schier unermesslichen Fundus der Musikgeschichte tauchen immer wieder Melodien auf, die sich irgendwie als unsterblich erweisen. Dazu gehört eine Musik, die 1691 geschrieben wurde: die "Frost"-Musik aus "King Arthur" von Henry Purcell... Jetzt war diese selten zu hörende Schauspielmusik als festliches Finale der "Residenz Woche" im Cuvilliéstheater zu hören.... Gerd Guglhör führt das Barockorchester "La Banda" und den Orpheus Chor München mit agiler Gestik, aber straffer Hand und kurzatmigen Phrasierungen durch die fünf Akte des (gekürzten) Opus... Mit der großartigen Passacaglia zu Beginn des vierten Aktes im Ensemble von Chor, Tenor [Andreas Post], Bass [Wolf-Matthias Friedrich] und Mezzosopran (Katharina Guglhör) und dann den Liebesduette baut sich etwas von jener aristokratischen Festlichkeit auf, mit der diese Musik rechnet. In der Hymne auf Bier und Britannien sogar deftiges Pathos... Langer Applaus.
Süddeutsche Zeitung (Klaus P. Richter), Oktober 2017
Große Mysterien
Adventsmusik aus drei Jahrhunderten bot das Konzert des Orpheus-Chors in der Allerheiligen Hofkirche: von Johann Ludwig Bach (geboren 1677), einem entfernten Verwandten Johann Sebastians, der interessante Motetten, Messen und eine berühmte "Trauermusik" komponiert hat, bis zum Norweger Ola Gjeilo (geboren 1978). Gleich drei Vertonungen des berühmten "Magnum Mysterium", das dem Wunder des Kinds in der Krippe nachsinnt, waren zu bestaunen: Von der ersten der vier Weihnachtsmotetten Francis Poulencs über Javier Bustos geheimnisvoll flüsternd beginnenden Version bis zu Ola Gjeilos von einer wunderbaren Cello-Stimme (Sophia Reiß) überwölbten Fassung, mit der das Konzert zu Ende ging... Natürlich präsentierte der Orpheus-Chor unter der Leitung von Gerd Guglhör dieses enorm vielseitige und anspruchsvolle Repertoire auf hohem Niveau...
Süddeutsche Zeitung (Klaus Kalchschmid), Dezember 2017